Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.03.2004
Aktenzeichen: 4 MB 8/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 3
Hat die Behörde über einen längeren Zeitraum keinen Grund zu einem zügigen Einschreiten gesehen, gehört es zur Schlüssigkeit der Sofortvollzugsbegründung darzulegen, weshalb nunmehr die Gefahr für so ernst angesehen wird, dass es bei der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verbleiben kann.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 4 MB 8/04

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Einstufung von Hunden als "gefährliche Hunde" i.S.d. GefahrhundeVO

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 15. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer - vom 28. Januar 2004 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. November 2003 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren in beiden Instanzen auf jeweils 4.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die streitbefangene Verfügung des Antragsgegners vom 27. November 2003 als offensichtlich rechtmäßig erachtet und ist auf dieser Grundlage zu einer unzutreffenden Interessenabwägung im vorliegenden Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gelangt.

Nach dem aus dem Akteninhalt hervorgehenden Sach- und Streitstoff sind die die Verfügung veranlassenden Geschehensabläufe vom 01. Dezember 2002 völlig ungeklärt. Es stehen sich insoweit die Aussagen Dr. B./Herr W. auf der einen Seite und die Bekundungen der Herren K., R. und der Frau A. auf der anderen Seite gegenüber. Eine Würdigung dieser gegensätzlichen Darstellungen ist ohne eine entsprechende unmittelbare Beweisaufnahme im Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren nicht möglich. Weitere Unklarheiten ergeben sich aus dem Umstand, dass die tierärztliche Versorgung des verletzten Hundes "Astor" ausweislich der Rechnung erst eine Woche nach dem streitbefangenen Geschehen erfolgt ist. Schließlich ist ungeklärt, ob gegebenenfalls beide Hunde des Antragstellers oder nur einer von ihnen -wenn ja, welcher - die Verletzungen herbeigeführt hat. Angesichts all dieser Unklarheiten lässt sich bei der im vorliegenden Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners feststellen, sodass es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung zwischen Aufschub- und Vollziehungsinteresse bedarf (std. Rspr. seit Senat, Beschl v. 06.08.1991 - 4 M 109/91 -). Diese muss vorliegend zu Gunsten des Antragstellers ausfallen. Bei der im Rahmen der Interessenabwägung vorzunehmenden Folgenabschätzung ist nämlich zum einen zu berücksichtigen, dass von einer von den Hunden des Antragstellers ausgehenden Gefahr für Menschen offenbar nicht auszugehen ist, entsprechende Anhaltspunkte hierfür sind jedenfalls weder dargetan noch sonst ersichtlich. Gefahren für andere Tiere sind nach dem streitbefangenen Geschehen vom 01. Dezember 2002 bis heute offenbar nicht wieder aktenkundig aufgetreten, auch die letzte Stellungnahme des Antragsgegners vom 10. März 2004 enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Im Übrigen - und dies gilt zum andern - hat der Antragsgegner selbst zunächst offenbar keinen Anlass gesehen, von einer akuten Gefährdung der Rechtsgüter Dritter auszugehen, wenn er erst im Mai 2003 den Antragsteller zu den hier streitigen Maßnahmen anhörte und nach der letzten Zeugenbekundung des Herrn R. vom 07. Juni 2003 noch bis zum 27. November 2003 zuwartete, ehe er die Verfügung nunmehr unter Anordnung des Sofortvollzuges erließ. Hat aber die Behörde über einen längeren Zeitraum keinen Grund zu einem zügigen Einschreiten gesehen, gehört es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Schlüssigkeit der Sofortvollzugsbegründung nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, dass im Einzelnen und in tragfähiger Weise dargelegt wird, warum nun eine vom Antragsteller - bzw. hier: seinen Hunden - ausgehende Gefahr sogar für so ernst gehalten wird, dass es bei der nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebenen aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verbleiben kann (Beschl. v. 16.06.1992 - 4 M 59/92 -). Daran fehlt es hier nicht nur formell, sondern offenbar auch in der Sache, sodass die bei offener Sach- und Rechtslage vorzunehmende Interessenabwägung im vorliegenden Verfahren zu Gunsten des Antragstellers ausfallen musste und seiner Beschwerde dementsprechend stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

Zurück